Erinnerungen an anti-kurdische Diskriminierung und Zwangsassimilation

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Foto von Rebaz Majeed

 

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von Raman Salah

„Diese Sprache ist meine Sprache. Als jemand, dessen Sprache eingeschränkt, verboten und untersagt wurde, und viele Menschen ins Gefängnis kamen oder bestraft wurden, weil sie in ihrer Sprache sprachen oder schrieben, weil sie in ihr veröffentlichten - ja, ich fühle definitiv eine persönliche Verbindung zum Konzept der Sprachgewalt.“

– Berivan*, Sorani-Sprecherin aus Bashur

Die Strategien antikurdischen Linguizids, die die Staaten bis heute anwenden, haben zu anderen, weniger offiziellen und alltäglicheren Formen der Sprachgewalt geführt und sind mit diesen verbunden.

Insgesamt schaffen sie ein Umfeld, das Kurdischsprechende dazu zwingt, ihre Sprachen aufzugeben und sich zu assimilieren.

Kurdischsprachige Personen berichteten Respond von den unzähligen Formen von Diskriminierung und Zwangsassimilation, die sie in der Türkei, in Syrien, im Iran und im Irak erlebt haben. Einige haben körperliche Gewalt erfahren, weil sie ihre Muttersprache sprachen; andere wurden diskriminiert und hatten nicht den gleichen Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Einige dieser Geschichten werden im Folgenden wiedergegeben.

Bakur (türkisch-besetztes Kurdistan) - Kurmandschi und Zazakî Kurdisch

Rojda Arslan, eine im Ausland lebende Zazakî-Sprecherin, ist eine auf internationales öffentliches Recht und europäische Menschenrechte spezialisierte Anwältin. Sie erzählte, wie ihre Familie und auch sie selbst die Folgen des „Türkisierungsprojekts“ des türkischen Staates - das darauf abzielt, jegliche ethnische und sprachliche Vielfalt auszulöschen - am eigenen Leib erfahren haben.

Ihre Eltern wurden Opfer von Prügel, Mobbing und körperlicher Gewalt, wenn sie in der Öffentlichkeit Kurdisch sprachen. Dies war Teil einer umfassenderen Zensur ihrer Muttersprache infolge des Genozids in ihrer Heimatstadt Dersim, die in den Jahren 1937 und 1938 Schauplatz antikurdischer Massaker und Zwangsmigration wurde:

„Wenn man einer bestimmten Gruppe verbietet, ihre Sprache zu sprechen, bedeutet das eigentlich, dass diese Gruppe in Zukunft aussterben wird. ... Das ist ein Werkzeug der Assimilation. ... Das ist mehr als nur eine Verletzung einer Sprache, es ist eine Verletzung einer kulturellen Identität durch die Verletzung einer Sprache.“

Sevim Zelal Tonbul, eine Rechtsanwältin aus der Provinz Kayseri, Bakur, die 1983 in eine Familie von Viehhirt*innen und Bäuer*innen geboren wurde, erzählte eine von Gewalt und Diskriminierung geprägte Geschichte aus ihrer eigenen Kindheit.

„Mein Großvater hatte ein Grammophon, das für uns sehr wertvoll war. ... Die Lieder waren hauptsächlich kurdische Lieder, 'dengbêjî', aus dem Südosten. ... Meine erste Erinnerung, bei der ich mich wirklich unterdrückt fühlte, war, als mein Großvater in unserem Garten vor dem Haus ein Loch grub. Er legte das Grammophon und alle Schallplatten in das Loch, bedeckte es dann mit Erde und legte einen Teppich darauf. Das habe ich nicht verstanden! ... Sie sagten: 'Sprich nicht und bleib sitzen, wo du bist'. Ein paar Minuten später hörten wir ein Armeefahrzeug kommen. Sie waren anscheinend auf einer Mission, um nach irgendetwas Verdächtigem zu suchen. Die Musik meines geliebten Großvaters und unsere Sprache (etwa wir, wie wir Kurdisch sprechen oder auch nur ein einziges Wort Kurdisch) waren etwas, von dem wir fest glaubten, dass sie daran interessiert wären, es uns wegzunehmen. Andere im Dorf wurden mitgenommen, weil sie nicht das taten, was meine Großeltern taten. Dieses Ereignis war sehr traumatisch für mich! Ich muss damals fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein. Ich werde es nie vergessen und erinnere mich noch lebhaft daran.“

Aus dieser Erfahrung hat Sevim gelernt: „Die kurdische Sprache ist die Sprache, deretwegen wir unterdrückt werden, und die Tatsache, dass wir Kurd*innen und nicht Türk*innen sind, wird nicht akzeptiert.“

Hêvî*, ein Aktivist, Übersetzer und Kurmandschi-Sprecher aus Bakur, wuchs ebenfalls mit Geschichten seiner Familie über die staatliche Unterdrückung des Kurdischen auf, darunter eine von seinen Großeltern, die der von Sevim unheimlich ähnelt. Über sie sagt er:

„Wenn sie kurdische Lieder auf ihrer alten Stereoanlage/ihrem Grammophon hörten, kamen türkische Soldaten, suchten die Besitzer*in der Kassetten auf, folterten sie*ihn oder töteten sie*ihn sogar! Stell dir vor, wie brutal es ist, getötet zu werden, nur weil du Lieder in deiner eigenen Sprache hörst.“

Auch Hêvî* erlebte Gewalt, weil er Kurdisch sprach.

„Es war sehr schwierig, als ich an die Universität kam, wir mussten immer aufpassen, was wir sagten, wenn wir redeten. Einige von uns wurden zusammengeschlagen, kamen ins Gefängnis und wurden von den Behörden bedroht. Wir haben viele Freund*innen, die umgebracht wurden, wir kennen ihre Geschichten. Wir sind Zeug*innen dieser Geschichten. Ich hatte Glück, dass ich nicht verprügelt oder inhaftiert wurde, weil ich sehr gut Türkisch und Englisch spreche, aber ich erinnere mich noch daran, wie viele unserer Freund*innen in Schwierigkeiten gerieten.“

Außerdem sagte Hêvî: „Einige unserer Freund*innen konnten nicht weiter studieren, nur weil sie Kurd*innen sind. Sie wurden sehr stark diskriminiert. Viele von ihnen verließen die Universität und gingen zurück in ihre Städte und Dörfer.“

Hêvî beschreibt, wie seine Erfahrungen mit Feindseligkeit gegenüber seiner kurdischen Muttersprache auch andere, weniger physische Formen angenommen haben. Zum Beispiel: „Wenn ich mit meiner Familie oder kurdischen Freund*innen im Bus oder im Zug bin und wir uns auf Kurdisch unterhalten, starren uns Türk*innen mit einem sehr gemeinen Gesichtsausdruck an. ... Sie akzeptieren unser Zusammenleben nicht und schauen uns an, als wären wir Fremde.“ Berivan* aus Bashur schilderte eine ähnliche Erfahrung in der türkischen U-Bahn, als sie beschimpft wurde, weil sie mit einer Freund*in Kurdisch sprach. „Es gab Leute, die mich anschrien und mich aufforderten, Türkisch zu sprechen, weil es Türkisch ist und alle Türkisch sprechen sollten. Das hat mir gezeigt, wie sie dem kurdischen Volk ihre Ideologie aufzwingen.“

Diese Politik der offenkundigen und verdeckten Diskriminierung und Assimilierung hat besondere Auswirkungen auf Frauen, was sowohl aus der vorhandenen Forschung als auch aus den Aussagen der Befragten hervorgeht. Frauen stehen vor besonderen Hindernissen hinsichtlich des Zugangs zu Möglichkeiten und Chancen, oft auch lebensrettender medizinischer Art, da die antikurdische Diskriminierung durch patriarchalische Gesellschaften noch verstärkt wird, die ihre Lese- und Schreibfähigkeit einschränken. Untersuchungen zufolge konnte die Mehrheit der Frauen, die in den Außenbezirken der kurdischen Provinz Amed (Diyarbakir) im Südosten der Türkei leben, im Jahr 2022 keine Krebsbehandlungen in Anspruch nehmen, weil sie kein Türkisch sprechen konnten. Laut eines Berichts des kurdischen Journalisten İrfan Aktan für Kedistan weigerten sich die Ärzt*innen, eine ältere kurdische Frau aufzunehmen, die kein Türkisch sprach, „weil sie keine Zunge hat.“ Geschichten über die Diskriminierung kurdischer Frauen, die um den Zugang zu medizinischen Leistungen kämpfen, sind keine Seltenheit.

Rojda stimmte dem zu. Sie hat erlebt, dass ihre Großmutter und andere Angehörige ihrer Generation, die nur Kurdisch sprechen und nur wenige Wörter und Sätze auf Türkisch kennen, große Schwierigkeiten haben, wenn sie zum Arzt gehen.

Rojava (syrisch-besetztes Kurdistan) - Kurmandschi Kurdisch

Neben der offiziellen staatlichen Diskriminierung sind viele Kurd*innen von Kindheit an bis ins Erwachsenenalter hinein aufgrund ihrer ethnischen Identität und ihrer Sprache der Gewalt durch ihre syrischen Mitbürger*innen ausgesetzt.

Tavge*, eine kurdischsprachige Teilnehmerin aus Rojava, die 2011 nach Bashur zog, beschreibt, wie ihre Kindheit in Syrien, wo die kurdische Sprache verboten war, durch sprachbasierte Gewalt geprägt war. Sie erinnerte sich an ein „aggressives Umfeld“, in dem kurdische Menschen regelmäßig von ihren nicht-kurdischen Nachbar*innen bedroht wurden. Aufgrund der Verfolgung, der ihre Familie ausgesetzt war, „beschlossen wir schließlich, das Dorf zu verlassen.“

Rojhelat (Iranian-occupied Kurdistan) - Sorani, Kurmanji and Hewramî Kurdish

Gordyaen Jermayi, ein Bildungsaktivist, Bauingenieur und Kurmandschi-Sprecher aus Urmia in Rojhelat, schildert, wie die antikurdischen Assimilationsbestrebungen des Iran in alle Lebensbereiche einfließen.

Gordyaens Vorfahren litten unter diesem staatlich sanktionierten geringen Selbstvertrauen, weil sie kein Persisch sprechen, lesen oder schreiben konnten.

„Meine Großeltern können kein Persisch sprechen. Sie verstehen es, weil sie Fernsehen gucken… Diese Assimilationsprogramme [sind] die Art und Weise, wie sie die Menschen einer Gehirnwäsche unterzogen haben. Fragt man die Leute aus Rojhelat, dann ist man im Grunde nutzlos, wenn man kein Persisch spricht… Und unglücklicherweise sind sie, wie alle anderen älteren Menschen auch, sehr erfahren, sie haben ein großartiges Leben gelebt, aber weil sie kein Persisch sprechen, lesen oder schreiben können, haben sie immer dieses sehr geringe Selbstvertrauen in sich selbst, was wirklich sehr traurig ist. Ich glaube, das hat sie in der Vergangenheit daran gehindert, sich ein besseres Leben aufzubauen.“ (Hervorhebung hinzugefügt.)

Bashur (irakisch-besetztes und halbautonomes Kurdistan) - Sorani-Kurdisch

Nach dem Einmarsch der US-Armee im Jahr 2003, der zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein führte, wurde Kurdisch 2005 im Irak offiziell als Sprache anerkannt. Die irakische Verfassung wurde 2005 eingeführt und legt in Artikel 4 fest, dass sowohl die arabische als auch die kurdische Sprache die offiziellen Sprachen des Irak sind. Trotz dieser verfassungsrechtlichen Anerkennung gibt es nach wie vor antikurdische Diskriminierung und Zwangsassimilierung, insbesondere in den von der irakischen Regierung besetzten Gebieten, wie z. B. Kirkuk.

„Meine Geschichte mit sprachlicher Gewalt begann, als die irakische Armee 2017 meine Stadt Kirkuk einnahm. Infolgedessen geriet Kirkuk vollständig unter die Kontrolle der irakischen Regierung. Die Hälfte der Bevölkerung der Stadt ist kurdisch. Sie betreiben meist kleine Geschäfte wie Lebensmittelläden, kleine Manufakturen, Metzgereien und Salons. Es ist ihnen nicht erlaubt, auf ihren Ladenschildern auf Kurdisch zu schreiben.“ Sarah Ali Mohammad Amin

Obwohl Kurdisch eine offizielle und anerkannte Sprache in Südkurdistan ist, gibt es auf offizieller Ebene noch immer einen Mangel an Dienstleistungen auf Kurdisch, so Dilan:

„Als ich in einem anderen Land studierte, musste ich zur irakischen Botschaft gehen, und damals war mein Arabisch nicht gut. ... Ich ging hin und versuchte, Englisch zu sprechen, aber niemand sprach Englisch. Ich sagte, ich wolle kein Arabisch sprechen, weil ich Angst habe, dass es nicht richtig ist, also [fragte ich]: 'Können Sie mir bitte eine*n Kurdisch- oder Englischsprecher*in vermitteln?' Sie sagten, sie könnten Kurdisch nicht anbieten, aber sie hätten an bestimmten Tagen eine*n englischsprachige*n Mitarbeiter*in. Ich musste mehrmals sehr weit fahren, um mit einer*einem englischsprachigen Mitarbeiter*in arbeiten zu können.“


*Einige Namen wurden geändert, um die Privatsphäre und die Sicherheit unserer Projektteilnehmenden und ihrer Angehörigen zu schützen. Da mehrere kurdische Namen in ganz Kurdistan von den Besatzungsmächten verboten wurden, weisen wir darauf hin, dass wir uns für die Verwendung von Namen entschieden haben, die verboten sind.

 
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